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Wirkungen einer bundesweiten Schüler/innen-Datei

Qualitätssicherung und Schulaufsicht durch statistische Clusterfahndung?

Ulf Riebau

Baumert et al. vom deutschen Pisa-Konsortium 2000 haben sich vorgenommen, die Qualität der pädagogische Arbeit auf der Ebene von Einzelschulen statistisch vergleichbar machen zu können. Das Verfahren dazu beruht einerseits auf „genormten“ Schulleistungstests und andererseits auf „genormten“ Schülerschaften, die in statistischen Verfahren modelliert werden, statistisch bereinigt um ihre spezifischen sozialen, motivationalen, kognitiven und weiteren schulleistungsrelevanten Merkmale, die sie von außen in die Schule mitbringen. Am Ende wird man vermittels statistischer Methoden Schulen mit angeblich „unbefriedigender pädagogischer Arbeit“ identifizieren wollen: „Dies können cluster von Schulen innerhalb von Schulformen sein – vor allem aber wohl jene Schulen, auf die Terhart (2000) hingewiesen hat, deren bislang unbefriedigende pädagogische Arbeit aufgrund von Gleichheitsvorstellungen und mangelnder Rechenschaftslegung, unbemerkt blieb.“ (Dt. Pisa-Konsortium 2003a, S. 290)

Zu den von außen in die Schule mitgebrachten schulleistungsrelevanten Merkmalen, die bei der Modellierung von statistisch an sich gleichen Schülerschaften herausgerechnet werden sollen, gehört bei PISA im wesentlichen der Entwicklungsstand und das Entwicklungspotential der Schüler/innen beim Schulübergang. Da jedoch der Entwicklungsstand und das Entwicklungspotential beim Übergang in Querschnittsuntersuchungen nicht rückwirkend erhoben werden kann, sind die statistisch an sich gleichen Schülerschaften je Einzelschule nur dann modellierbar, wenn man in den schülerbezogenen Kontextdaten Konstanten definiert, von denen man annimmt, dass diese durchschnittlich auf Schulebene weder durch die pädagogische Arbeit der Schulen noch durch außerschulisch beeinflusste individuelle Entwicklungen der Schüler/innen wesentlich verändert werden. Mit diesen Konstanten hofft man, schulleistungsrelevante Entwicklungsstände und Entwicklungspotentiale bestimmen zu können, die mehrere Jahre vor der eigentlichen Querschnittserhebung bestanden haben. Baumert et al. sehen diese Konstanten in der durch PISA erhobenen Sozialschichtzugehörigkeit und in den „kognitiven Grundfähigkeiten“: „Aufgrund ihrer querschnittlichen Anlage ist die PISA- Studie nur begrenzt geeignet, Entwicklungsverläufe zu untersuchen. PISA vermittelt zunächst nur eine Momentaufnahme am Ende der Vollzeitschulpflicht. Allerdings lassen sich unter Nutzung von übergangsrelevanten Zusatzinformationen – wie kognitiven Grundfähigkeiten oder Merkmalen der sozialen Herkunft – Entwicklungsverläufe approximativ rekonstruieren. Der Status der Analysen kann freilich nur explorativ sein.“ (Dt. Pisa-Konsortium 2003a, S. 282f)

Die „genormten“ Schulleistungstest, die in den großen Schulleistungsvergleichen bisher nur in querschnittlichen Stichproben durchgeführt wurden, könnten durch die zunehmend propagierte Ausweitung von Mindeststandards, Vergleichsarbeiten und Einheitsabiturprüfungen auf eine regelmäßige, flächendeckende und (sofern das individuelle Datenschutzinteresse eingeschränkt werden kann) längsschnittliche Grundlage gestellt werden. Würde man gleich bei Schulübergang die angeblich durch die Schule nicht wesentlich zu beeinflussenden Eingangsvoraussetzungen (z.B. Sozialschichtzugehörigkeit und „kognitive Grundfähigkeiten“) der Schüler/innen erheben, könnten nicht nur periodisch die Schülerschaften aller Schulen statistisch als an sich gleiche Schülerschaften modelliert werden, sondern auch einzelne Klassen. Damit würden in jedem Schuljahr nicht nur Cluster von Schulen, sondern auch von Klassen statistisch identifizierbar, bei denen eine mittlere „unbefriedigende pädagogische Arbeit“ festgestellt werden würde, wenn die tatsächliche mittlere Lernentwicklung dieser Klasse, bereinigt um ihre von den Klassen- und Fachlehrer/innen nicht zu beeinflussenden Entwicklungsfaktoren, hinter der statistisch modellierten Soll-Lernentwicklung zurückbliebe. Keine nunmehr zur Rechenschaft gezogene Schule und Lehrkraft sollte sich dann noch mit dem Hinweis auf die unterschiedlichen, nicht durch die Schule und Lehrkräfte beeinflussbaren Lernvoraussetzungen ihrer Schülerschaft herausreden können.

Zunehmend genormte und überwachte Lernumwelten im Zusammenspiel von neuen statistischen Modellierungen und traditioneller Schulaufsicht würden zu Lasten der Vielfalt von Themen-, Lern-, Wissens- und Begabungsarten gehen. Das Verfahren zur statistischen Messung der Abweichung pädagogischer Arbeit von Sollwerten auf der Grundlage modellierter Normschülerschaften, die statistisch um ihre spezifischen nicht durch die Schule zu beeinflussenden Eingangsmerkmale bereinigt werden, weist große Schwächen auf. Die flächendeckende längsschnittliche Erfassung von individuellen Eingangsmerkmalen und Bildungsverläufen stößt auf datenschutzrechtliche und finanzielle Restriktionen. Das statistische Modell der genormten, an sich gleichen Schülerschaften, erfasst nicht die komplizierte Wechselwirkung der schulischen und außerschulischen (motivationalen und kognitiven) Voraussetzungen und Stimulationen der Lernentwicklung. Trotz der beschränkten Abbildung der realen Schul- und Lernwelten in den bislang vorgelegten statistischen Modellen („kann freilich nur explorativ sein“) wird die empirische Schulforschung mit ihren statistisch begründeten Normen und Sollangaben zu einem Artensterben in der pädagogischen Arbeit und der durch diese pädagogische Arbeit geförderten Begabungsvielfalt beitragen. Die empirische Schulforschung begründet und fordert die Normierung durch Mindeststandards und deren Kontrolle durch Vergleichsarbeiten. Schulzeitverdichtung, durch neoliberale Steuerpolitik herbeigeführte marode Bildungsetats und eine sich gegen die 68er-Bildungspolitik durchsetzende konservative Rollback-Bildungspolitik werden ihren Teil zur (Bildungs-)Normierung als Sachzwang beitragen wollen.

Literatur

Dt. Pisa-Konsortium 2001a, Baumert et al., PISA 2000 - Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich, 548 Seiten, Opladen 2001, ISBN 3-8100-3344-8

Dt. Pisa-Konsortium 2003a, Baumert et al., PISA 2000 – Ein differenzierter Blick auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland, 448 Seiten, Opladen 2003, ISBN 3-8100-3855-5


Nachtrag 23.08.2013

http://china.org.cn/china/2013-08/23/content_29805004.htm (download 23.08.2013)

China: Ministry announces student database

A national student information database will be implemented in September for smoother school transfers and more efficient student administration, the Ministry of Education revealed on Thursday.

Schools and local education authorities began in 2010 to build the database, which contains the personal data of 35 million primary and middle school students from eight provinces and municipalities. Another 14 areas are currently collecting information. Each student will be assigned a permanent and unique ID number, which contains a profile of basic information, education history, previous assessment results and specialties in sports and arts. The information, collected and updated at the schools, won't be allowed to be modified once it is confirmed and entered into the database.

According to Luo Fangshu, deputy director of the ministry's Education Management Information Center, the database will integrate the information of more than 180 million elementary and secondary school students nationwide for the first time. "It will help the education authority better administer student archives, while making the school transfer process a smooth one, especially for migrant workers' children," Luo said. With the development of urbanization, more and more children have moved with their parents to major cities, meeting issues with school enrollment. Without a unified database, transferring their information to a new school has often been a complicated procedure.

"Once the system comes into operation, the school transfer could be done online, which can save a lot of time and energy," said Du Kewei, deputy director of the ministry's elementary education department. According to Luo, an online school transfer service has been tested in Guizhou, where the provincial database was built in March, and around 130,000 students were transferred successfully and efficiently.


www.uri-text.de | Oldenburg (Oldb) | 2006-09-30